Walk’n Act * Genius loci

Ein coronagerechter 1-zu-1-Spaziergang


Die Grundidee?


Machen die Orte, an den wir uns befinden etwas mit uns? Und wenn ja, kann man es fotografisch festhalten?
Also hieß es: Orte zu finden, die eine Reaktion hervorrufen können. Eine gute, oder auch weniger gute, aber hauptsächlich eine Reaktion. Und es hieß ebenso zu hoffen, dass die Besucher/ Spaziergänger diese Reaktionen auch zulassen, statt sich zusammen zu reißen und
die Reaktion zu unterdrücken. Sie sollten sichtbar bleiben, sonst wäre es für mich als Fotografin schwer etwas tatsächlich abzubilden.


Ein Ort wird definiert durch die Dinge, Gebäuden, Geografie…. einfach durch das alles, was aneinem Ort so „ist“. Und ein Ort wird ebenso definiert dadurch, was man an einem Ort tut. Der dritte Faktor in Bünde wäre: mit wem zusammen man an diesem Ort ist.
Das alles kann die „Farbe“ des Ortes beinflussen und dadurch auch ändern.


Aber was ist ein Unterschied zwischen einem Ort und dem Genius loci? Einen Ort kann man
nicht mitnehmen; den Genius loci, den Geist des Ortes schon.


Wir machten uns auf die Suche… drei mal ein Blinddate.
Wer wird kommen? Was erwartet er ? Und, wird es sich einlassen können? Auf eine Fremde,
die noch zu allem Überfluß auch noch eine Kamera vor dem Auge hält?
Treffpunkt wa die Lazaretti Eisdiele. Ich war immer sehr nervös, weil es ein Wagnis war …


Der erste Ort war die Überwasserkirche… man glaubt nicht wie vielfältig dieser Ort ist. Je nach Körperkraft und Angst vor Höhe, konnten meine Gäste: entweder auf das Dach der Kirche steigen (250 Stufen…der höchster begehbarer Punkt dieser Stadt), das Gewölbe der Kirche von der anderen Seite „begehen“, Orgel spielen, in geheimnisvollen Kreuzgängen
spazieren gehen oder einem ganz privaten Konzert lauschen.
Was ich hier fotografisch festhalten konnte, war die Freiheit, Entzückung, Neugier, Ehrfurcht, Staunen, Sehnsucht und manchmal die Stille.


Manchmal hab es noch einen „halben“ Ort dazwischen. Die Happy Tee Bar… ein aberwitziger Ort, schwarze Linien und weisse Flächen… Regale, die keine sind, Blumen, die man nie gießen muss und Tee, der so riecht , wie ein orientalisches Märchen….


Der zweite Ort lag im Dunkel, tief unten… Ein Gegenstück zu dem Gefühl auf dem Dach, hoch über der Welt.
Vergittert, übel riechend und schmutzig. Die Unterführung zum Schloßplatz. Dieser Ort diente dem Experiment: Kann man solche Orte „überschreiben“, in dem man etwas Schönes an so
einem Ort tut? Kann diese Dunkelheit etwas Schönes hervorbringen?
Und sie kannt es tatsächlich. Ganz alleine nicht, hier war eine Hilfe von außerhalb notwendig. Ein Freund kam dazu und brachte Rhythmus, Musik und Bewegung… in einem Wort, den Tanz.
Abgeleitet von der geheimer „Gumboot“ Sprache der Minenarbeiter in den
Diamantenminen Afrikas, hatte er meiner Gäste innerhalb 15 minuten ganz weit von diesem Ort gebracht. Es wurde so viel gelacht, versucht, gescheitert, noch mal versucht und dann schließlich gemeistert. Ich konnte Konzentration, Freude, Mut, Ausdauer, Neugier, Bereitschaft etwas
Neues, Unerwartetes zu tun fotografieren. Einklang mit der Musik, mit dem eigenem Körper, und mit dem anderen Körper, der synchron das selbe tat und dadurch eine eingeschworene
Gemeinschaft bildete

Nach den 15 Min wusste niemand mehr, ob dieser Ort noch übelriecht. Der Ort ist „überschrieben“ worden.


Der dritte Ort war ein paradiesischer Garten: der Garten des Kapuziner Klosters…. Über 60 Obstbäume, Blumenmeere, Gemüse, Bienen, Stille, Sonne, Wind, Wasser… Dieser Ort war die Belohnung nach der Aufregung, Bewegung und Herausforderung. Ein Ausklang.
Hier fand meine Kamera Sinnlichkeit, Genuss, Gespräche über die Gärten der Kindheit meiner Gäste, die Marmeladen Gläser der Grossmutter und hauptsächlich aber ein Staunen darüber, dass es in Münster überhaupt so einen Ort gibt. Jeder meiner Gäste hatte einen anderen
Garten erlebt: Im April die Obstbäume, die wie hunderte Bräute weiss leuchteten, im Mai das ganze Gemüse und duftende Kräuter, im Juni die Früchte und die ganze Fülle des Sommers.
Wir haben des Garten immer mit einem sanften Lächeln verlassen, so reichlich beschenkt, mit dem Wunsch, uns hoffentlich irgendwo wieder zu sehen. Da die Fotografie das Medium war, hatten wir noch weiter Kontakt miteinander gehabt. Die Bilder würden den Gästen gezeigt und aus einer Galerie dürften sie sich von jeder Situation /vom jeden Ort/ ein aussuchen, welches sie am meistens berührt hat. Wer Lust hatte, dürfte zu
den Bildern auch paar Zeilen schreiben. Das haben dann tatsächlich auch alle getan, oder es gerade noch tuen.


Ich war wie ein wenig betrunken nach diesen Spaziergängen. Vor Freude und von der Tatsache, dass dieser Menschen mit so viel Vertrauen und offenem Herzen, mir, meiner Kamera und den Orten begegnet sind

Mehr zu dem wunderbaren Projekt Walk’n act hier: https://stadtensemble.de/walk-n-act

Schreib einen Kommentar